Strahlende Virtuosin

Mit der Geige um die Welt – Rusanda Panfili über Musik, Tourneen und Leidenschaft.

"Ich möchte die Menschen mit Musik und meinem Spiel berühren", sagt Geigerin Rusanda Panfili. Die Musikerin gastiert mit dem Hilaris Chamber Orchestra am 14. Juni bei Summer Concerts Raiding.

Rusanda Panfili wurde in Chișinău, Moldau, geboren und wuchs in Bukarest auf. Mit elf Jahren wurde sie an der Musik und Kunst Privat­universität der Stadt Wien aufgenommen und studierte später auch an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Zahlreiche Stipendien und Preise säumten ihren künstlerischen Weg. Als Solistin trat sie u. a. mit dem Jerusalem Symphony Orchestra und mit Erwin Schrotts Rojo­tango auf. Seit 2016 tourt sie mit Filmkomponist Hans Zimmer durch die Welt, bis Ende Februar 2025 in den USA und dort hat ORF Kulturjournalistin Silvia Freudensprung-Schöll Rusanda Panfili zwischen den Konzerten für ein Interview erreicht:

Silvia Freudensprung-Schöll:Sie sind gerade auf Tour mit Hans Zimmer in den USA und stehen fast täglich auf der Bühne. Sie durchleben derzeit also eine stressige, anstrengende Zeit. Trotz aller Strapazen ist es vermutlich ein Adrenalin-Kick, Abend für Abend vor Tausenden Besuchern aufzutreten. Können Sie daraus Kraft schöpfen?

Rusanda Panfili: Natürlich ist es immer etwas ganz Besonderes, vor einem so großen Publikum aufzutreten. Die Menge an Menschen hat eine besondere Wirkung. Es ist diese kollektive Kraft, die man sofort spürt, wenn sich so viele Menschen an einem Ort versammeln, nur für die Musik. Der Adrenalin-Kick kommt oft unterschiedlich – mal vor dem Konzert und mal direkt danach, wenn man eigentlich schon schlafen sollte :).

Freudensprung-Schöll: Wie geht es Ihnen nach einem Konzert? Tausende Menschen jubeln und applaudieren. Wie gehen Sie damit um, wenn Sie dann allein im Hotelzimmer sind?

Panfili: Nach dem Konzert stellt sich oft ein Gefühl der Leere ein. Emotional und spirituell bin ich zwar erfüllt, aber auch erschöpft. Ich gebe alles, wenn ich auf der Bühne stehe, bekomme aber auch viel zurück. Manchmal dauert es einfach etwas länger, bis ich all diese Eindrücke verarbeiten kann.

Freudensprung-Schöll: Die Musik von Hans Zimmer kennen fast alle. Was macht ihn und seine Musik aus?

Panfili: Ich glaube, seine Stärke liegt darin, genau zu wissen, was ein Film braucht, um die Geschichte noch näher an die Menschen zu bringen. Er findet die passenden Melodien und Klänge zu den Bildern. Er ist ein Visionär und ein unglaublich vielseitiger Musiker.

Freudensprung-Schöll: Wie ist Ihre intensive Zusammenarbeit mit Hans Zimmer entstanden?

Panfili: Ursprünglich wurde ich nur als Ersatz für seine allererste Tournee empfohlen. Er sah sich meine YouTube-Videos an und mochte, was ich machte und wie ich spielte. Und nach den ersten gemeinsamen Proben bat er mich, die gesamte Tournee zu spielen und ein fixes Mitglied seiner Gruppe zu werden. Seitdem habe ich bei all seinen Live-Tourneen mitgewirkt, für seine Filme aufgenommen und durfte sogar eigene Arrangements verwenden.

Freudensprung-Schöll: Sie sind eine grandiose Künstlerin und beeindruckende Erscheinung. Auf Tour mit Hans Zimmer greifen Sie oft auch zu gewagten Outfits. Ist das Teil der Show auf der Bühne, gehört das dazu?

Panfili: Ich liebe Fashion und finde, dass jede Show die passende Kleidung braucht. Bei Hans Zimmer Live stehe ich praktisch auf einer Rock-Bühne, bei Andrea Bocelli trete ich im Abendkleid auf, und für mein Weltmusik-Projekt trage ich sogar Tracht. Es soll einfach zur Show passen und außerdem habe ich großen Spaß daran, mich unterschiedlich zu stylen.

Freudensprung-Schöll: Sie sind erfolgreich als Geigerin unterwegs, haben Ihr eigenes Ensemble, arrangieren und komponieren. Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Musik und die Bühne entdeckt?

Panfili: Ich glaube, die Leidenschaft war schon immer da, bevor sie mir überhaupt bewusst wurde. Entdeckt und bemerkt habe ich meine Leidenschaft für diesen Beruf und die Bühne definitiv in Wien, als ich zum ersten Mal sah, wie Musiker*innen in den schönsten Sälen auftraten und mit welchem Ehrgeiz sie spielten.

Freudensprung-Schöll: Wie war Ihr künstlerischer Weg, wenn Sie mir von Ihren Anfängen erzählen?

Panfili: Bevor ich überhaupt sprechen oder richtig laufen konnte, bewegte ich mich bereits im Rhythmus zur Musik. Mit zwei Jahren sang ich japanische Lieder aus Zeichentrickfilmen perfekt nach. Ich war ein durch und durch musikalisches Kind. Die Erzieherinnen im Kindergarten rieten meinen Eltern, darüber nachzudenken, mich in eine Musikschule zu schicken. Alle in meiner Familie waren dagegen, nur meine Mutter nicht. Sie kämpfte für mich und so begann ich mit sechs Jahren Geige zu spielen.

Freudensprung-Schöll: War es schwierig für Ihre Familie, Ihnen das Studium in Wien zu ermöglichen?

Panfili:Ich war erst 11 Jahre alt, als ich mein Studium am Konservatorium begann. Natürlich war das eine riesige Umstellung für meine Familie und mich. Es war extrem schwer, in einem völlig fremden Land praktisch ein neues Leben zu beginnen. Es gab oft Momente, in denen meine Mutter mit mir zurückfahren wollte, aber für mich war es unvorstellbar, Wien wieder zu verlassen. Auch finanziell war es eine große Herausforderung für uns, doch zum Glück gab es viele Wettbewerbe und Stipendien, die ich gewann, das hat enorm geholfen.

Freudensprung-Schöll: War es schwer, als Künstlerin seinen Weg zu machen und Fuß zu fassen?

Panfili: Ich glaube, Musiker:in zu sein ist einer der schwierigsten Berufe überhaupt. Vor allem als freiberufliche Musiker*innen eine Karriere aufzubauen, ist alles andere als einfach. Neben der musikalischen Fähigkeit muss man sich auch selbst promoten und managen können. Es ist ein ständig wandelndes Konzept und man muss immer mit dem Flow gehen. Die Welt verändert sich – und wir, die Entertainer, mit ihr.

Freudensprung-Schöll: Am 14. Juni treten Sie bei den Summer Concerts in Raiding gemeinsam mit dem Hilaris Chamber Orchestra Bratislava auf. Was wird das Publikum bei dem Konzert zu hören bekommen?

Panfili: Das Publikum wird ein ganz besonderes Konzert erleben, in dem wir Werke von Astor Piazzolla in einer einzigartigen und seltenen Form präsentieren – mit komplett neuen Arrangements für Solo-Violine und Streichorchester. Piazzolla ist für mich einer der faszinierendsten Komponisten überhaupt. Seine Musik vereint Tango, Barock, Jazz und zeitgenössische Techniken. Es sind Kompositionen, die bewegen und unglaublich starke Gefühle hervorrufen.

Freudensprung-Schöll: Sie waren zuletzt in Raiding mit ihrem eigenen Ensemble „Panfili & Friends“, nun treten sie mit dem Hilaris Chamber Orchestra Bratislava auf. Was ist das Besondere an diesem Orchester?

Panfili: Als ich ein Orchester für die Aufnahme meines Albums Libertango suchte, wusste ich sofort, dass Hilaris das Richtige ist. Es ist ein offenes und temperamentvolles Ensemble – genau das passt zu Piazzolla. Es sind großartige, vielseitige Musiker:innen, die mit Leidenschaft und Exzellenz musizieren.

Freudensprung-Schöll: Sie waren ja schon öfter in Raiding als Musikerin zu Gast. Was macht diesen Ort aus? Ist es das Konzerthaus oder ist es Franz Liszt, der in dem Ort geboren wurde?

Panfili: Natürlich liegt es auch an Franz Liszt, aber als Wahl-Burgenländerin finde ich, dass diese Ecke der Erde etwas ganz Besonderes ist. Das Festival hat bereits so viele großartige Musiker*innen empfangen und unzählige emotionale Momente erlebt – das hinterlässt Spuren an einem Ort. Ich spüre das und es inspiriert mich.

Freudensprung-Schöll: Sie kennen Raiding, Sie kennen das Burgenland, Sie sind seit einigen Jahren Wahlburgenländerin und leben in Neusiedl am See. Was hat Sie nach Neusiedl geführt?

Panfili: Ich kannte den Neusiedler See, da er nicht weit von Wien entfernt ist, und fand es immer schön, in der Nähe von Wasser zu leben. Mein Mann und ich suchten ein Haus und hatten das Glück, in Neusiedl eines zu finden.

Freudensprung-Schöll: Was ist das Besondere an Neusiedl am See und dem Burgenland, dass Sie hierhergezogen sind?

Panfili: Ich wollte an einem Ort leben, an dem ich täglich Ruhe und Inspiration in der Natur finde, zu jeder Stunde musizieren kann und der idealerweise nicht zu weit vom Flughafen entfernt ist. Neusiedl ist einfach der perfekte Ort für unseren Lebensstil.

Freudensprung-Schöll:Sie haben einen anstrengenden Beruf, sind viel unterwegs. Wie können Sie Kraft tanken?

Panfili: Ich achte darauf, mir regelmäßig etwas Gutes zu tun. Das kann ein langer Spaziergang sein, Zeit in der Natur, eine Massage, ein gutes Buch oder ein gutes Essen.

Freudensprung-Schöll: Sie sind mit Filmkomponist Johannes Winkler verheiratet. Geht sich Ihr Privatleben eigentlich aus? Haben sie Zeit füreinander?

Panfili: Natürlich ist es nicht leicht, so oft getrennt zu sein, wenn ich viel unterwegs bin. Aber wir unterstützen einander, telefonieren viel und achten darauf, die Zeit, die wir zusammen haben, intensiv zu erleben und zu schätzen.

Freudensprung-Schöll: Wenn Sie beide – Ihr Mann und Sie – gerade einmal nicht unterwegs sind oder intensiv an einem Projekt arbeiten, wie verbringen Sie beide Ihre Freizeit, was unternehmen Sie gerne?

Panfili: Wir haben einen kleinen Hund und gehen jeden Tag spazieren. Wir kochen sehr gern zusammen, und obwohl es vielleicht ungewöhnlich klingt – wir machen Musik, nicht als Arbeit, sondern zum Spaß. In unseren Studios sind wir wie kleine Kinder, die ständig Neues entdecken und experimentieren. Diese gemeinsame Leidenschaft hat uns zusammengebracht.

Freudensprung-Schöll: Ich empfinde Sie als starke Frau, Sie wirken, als ob sie nichts erschüttern kann. Gibt es bei Ihnen Momente, in denen auch Sie einmal mit dem Schicksal hadern?

Panfili: Ich glaube, jeder Mensch hat solche Momente, egal wie stark er ist. Ich habe gelernt, dass sie zum Leben dazugehören und uns helfen, die Höhen des Lebens noch mehr zu schätzen. In diesem Beruf braucht man als Frau eine harte Schale, um selbstständig zu sein. Wenn man diese innere Stärke nicht findet, wird es sehr schwierig, sich durchzusetzen.

Freudensprung-Schöll: Wie gehen Sie mit ihrem Erfolg um?

Panfili: Ich denke nicht viel über Erfolg nach. Mir ist es wichtiger, als Musikerin glücklich und erfüllt zu sein. Ich möchte das Gefühl haben, etwas im Leben geschaffen zu haben, das größer ist als meine eigene Existenz.

Freudensprung-Schöll: Sie sind in der Klassik, im Jazz, in der Filmmusik zuhause. Was fasziniert Sie daran, dass Sie in allen Genres zuhause sind?

Panfili: Die Freiheit und die unbegrenzten Möglichkeiten, mich durch Musik auszudrücken, bedeuten für mich alles. Dazu gehört es für mich nicht nur als Interpretin, sondern auch als Komponistin, Kenntnisse in verschiedenen Stilrichtungen zu entwickeln.

Freudensprung-Schöll: Was bereitet Ihnen mehr Freude, auf der Bühne als Musikerin zu stehen oder dann doch zuhause eigene Stücke zu komponieren und zu arrangieren?

Panfili: Beides liebe ich sehr, aber immer mehr zieht es mich dazu, zuhause oder an jedem beliebigen Ort zu komponieren. Dabei entdecke ich neue Facetten von mir selbst und kann wieder wie ein Kind sein – neugierig, verspielt und frei von Grenzen. Das kreative Experimentieren eröffnet mir ständig neue Welten und inspiriert mich auf ganz besondere Weise.

Freudensprung-Schöll: Jetzt fällt mir ein, ich habe irgendwann einen Zeitungsartikel gelesen, dass Ihnen einmal die Geige gestohlen worden ist, stimmt das?

Panfili: Oh ja … Drei Tage bevor ich nach Wien zum Studium aufbrechen sollte, wurde mir meine Geige gestohlen. Das war eine der ersten harten Lektionen, die mir das Leben erteilt hat. Trotzdem fuhren wir nach Wien, und ich spielte zunächst auf einer Leihgeige. Doch das Beste an dieser schwierigen Geschichte ist: Ich habe meine Geige wiedergefunden – und mit genau diesem Instrument schließlich mein Debüt mit den Jerusalem Symphonikern gespielt.

Freudensprung-Schöll: Vielen Dank für das Gespräch, ich wünsche Ihnen alles Gute! Toi toi toi für ihre nächsten Projekte und das Konzert in Raiding am 14. Juni.

Panfili: Vielen Dank und bis bald in Raiding!

Text: Silvia Freudensprung-Schöll

 

TERMIN

Freitag, 14. Juni 2025, 18:30

Rusanda Panfili, Violine & Leitung

Hilaris Chamber Orchestra

PROGRAMM

Astor Piazolla:

Las Cuatro Estaciones Porteñas (Vier Jahreszeiten)

Oblivion

Libertango

Vuelvo Al Sur

Escualo

Soledad

Tanti Anni Primi

Yo Soy Maria

Adios Nonino

Fuga y Misterio

Chiquilín de Bachín

 

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